Gentechnik: Anwendung in Landwirtschaft und Ernährung

Gentechnik: Anwendung in Landwirtschaft und Ernährung
Gentechnik: Anwendung in Landwirtschaft und Ernährung
 
Ein wichtiger Forschungs- und Entwicklungsbereich für die Menschheit ist die Erzeugung von Nahrungsmitteln. Die ausreichende Ernährung der wachsenden Erdbevölkerung — inzwischen über 6 Milliarden Menschen — ist nur möglich, wenn weitere züchterische Erfolge die landwirtschaftlichen Erträge von Nutzpflanzen und Nutztieren steigern können. Vielen ist nicht bewusst, dass klassische Züchtung bereits eine Art Gentechnik ist, wenn auch nicht mit molekularen Methoden: Es ging und geht bei jeder Züchtung darum, besonders viele erwünschte Gene in einer Pflanzensorte oder einer Tierrasse zu vereinigen, damit dieser Organismus einen optimalen Ertrag erbringt. Dies geschieht in der klassischen Züchtung durch immer wieder neue Kreuzungen mit anschließender strenger Selektion: Die Züchter wählen jeweils solche der Nachkommen für die Weiterzucht aus, die die besonders erwünschten Eigenschaften besitzen. Die Züchter nutzen auch die Möglichkeit, Gene zu verändern. Dies geschieht allerdings in der klassischen Züchtung völlig ungerichtet, indem beispielsweise eine Pflanze oder ein Tier mit genverändernden Strahlen wie Röntgenstrahlung behandelt wird. Selbst Gene aus verschiedenen Arten sind durch Kreuzung unterschiedlicher Arten miteinander kombiniert worden. Dies ist sowohl bei Tieren (Beispiel Maultier = Kreuzung aus Esel und Pferd) als auch bei Pflanzen (Beispiel Triticale = Kreuzung aus Roggen und Weizen) seit langem üblich. Bei allen Züchtungsbemühungen geht es darum, gewünschte Gene gezielt zu übertragen, unerwünschte Gene möglichst zu entfernen.
 
Die Gentechnik hat genau dieses ermöglicht — gezielt einzelne Gene zu isolieren und diese Gene einzeln in beliebige Organismen zu übertragen. So ist es nicht verwunderlich, dass schon in einer relativ frühen Phase der Entwicklung der Gentechnologie die landwirtschaftlichen Züchter begonnen haben, die Gentechnologie für die Züchtung von Pflanzen und Tieren nutzbar zu machen. Allerdings sind Pflanzen und Tiere sehr viel kompliziertere Organismen als Bakterien. Tiere und die meisten Pflanzen sind vielzellige Wesen, die regelmäßig von Generation zu Generation nur die Keimzellen weitergeben, während alle Körperzellen mit dem Tod des Individuums zugrunde gehen. Daraus folgt, dass jede gentechnische Veränderung, die stabil über den Generationswechsel hinweg vererbt werden soll, in den Chromosomen der Keimzellen erfolgen muss. Nur die Chromosomen stellen sicher, dass die Gene sowohl auf die Keimzellen als auch auf die aus Teilung hervorgehenden Körperzellen verteilt werden. Die Schwierigkeit, gentechnisch Gene in die Keimzellchromosomen einzuschleusen, ist für Pflanzen und Tiere auf verschiedene Weise gelöst worden.
 
 Transgene Tiere
 
Die Verfahren, wie Gene in Tiere eingeführt werden, sind überwiegend an Modellorganismen, wie der Maus oder der Taufliege, entwickelt worden.
 
Die gentechnischen Veränderungen von Tieren werden dadurch erreicht, dass die zu übertragende DNA mit einer sehr feinen Glaskanüle direkt in den Zellkern der befruchteten Eizelle oder in den sehr jungen Embryo injiziert wird.
 
Die in den Embryo eingespritzte DNA wird glücklicherweise häufig von der Zelle selbst in die Chromosomen eingebaut. Wenn dieser Einbau erfolgt ist, erhalten alle Zellen des zukünftigen Organismus, also auch die Keimzellen, diese genetische Veränderung, weil sich alle Zellen aus der Eizelle entwickeln.
 
Dieses bei der Maus entwickelte Verfahren ist später auf wichtige Nutztiere übertragen worden. Bis heute sind Kaninchen, Schafe, Schweine, Ziegen, Rinder, Hühner, Fische und vermutlich auch noch andere Nutztiere gentechnisch verändert worden. Dabei werden sehr verschiedene Ziele verfolgt.
 
Ein Ziel ist, dass die Tiere schneller wachsen und insgesamt größer werden. Dies versucht man zu erreichen, indem Tieren zusätzliche Gene für Wachstumshormone eingepflanzt werden. Bei Mäusen, denen beispielsweise das Gen für menschliches Wachstumshormon eingepflanzt worden ist, kommt es zu Riesenwuchs. Die Mäuse wachsen viel schneller als normale Mäuse und werden deutlich größer.
 
Ein Versuch mit zusätzlichen Wachstumshormongenen bei Schweinen hat bei den meisten Tieren keinen Wachstumserfolg gebracht. Im Gegenteil, die transgenen Schweine schienen krank zu sein und konnten sich nur schlecht bewegen, sodass diese Versuche eingestellt wurden.
 
Beeindruckend sind dagegen die Erfolge mit transgenen Fischen. Lachse, denen ein zusätzliches Gen für das Wachstumshormon einer anderen Lachsart eingepflanzt wurde, wachsen erheblich schneller und werden auch sehr viel größer als die Kontrolltiere. In einem Fall wuchs ein solcher gentechnisch veränderter Lachs innerhalb kurzer Zeit auf das 37fache des Gewichts der nicht gentechnisch veränderten Kontrolltiere heran.
 
Im Durchschnitt waren die gentechnisch veränderten Lachse immerhin elfmal so schwer wie die Kontrolltiere. Die schnell wachsenden Lachse sind für die Verwendung in Fischfarmen gedacht und sollen nicht in die Umwelt entlassen werden. Lachse sind räuberisch lebende Tiere und es wäre sicherlich riskant, solche schnell wachsenden Fische in die Umwelt zu entlassen.
 
Neben dem Ziel, schneller wachsende Nutz- und Nahrungstiere zu erzeugen, gibt es Bestrebungen, die Gesundheit beziehungsweise die Krankheitsresistenz der Tiere zu verbessern.
 
Andere gentechnische Veränderungen zielen darauf ab, die Qualität der von den Tieren produzierten Nahrungsmittel zu verbessern. So hat man Kühe gentechnisch dahingehend verändert, dass ihre Milch menschliches Milcheiweiß enthält und deshalb möglicherweise als Babynahrung besser geeignet sein wird. Bei Hühnern wird gentechnisch versucht, den Cholesteringehalt in Eiern zu verringern.
 
Gene Pharming und Bioreaktoren
 
Eine besonders wichtige Entwicklungslinie sind diejenigen gentechnisch veränderten Tiere, die Stoffe produzieren, die wiederum als Medikamente verwendet werden. So ist es inzwischen sowohl bei Schafen als auch bei Kühen gelungen, das menschliche Gen für den Blutgerinnungsfaktor IX in das Genom der Tiere so zu integrieren, dass dieses Protein in den Milchdrüsen produziert und mit der Milch der Tiere abgegeben wird. Der Blutgerinnungsfaktor kann dann aus der Milch relativ leicht gewonnen werden.
 
Die Tiere werden so zu Bioreaktoren. Für die Gewinnung der wertvollen, pharmazeutisch wirksamen Substanzen müssen die Tiere nur gemolken werden, sodass auch dem Tierschutzgedanken mit einem solchen Verfahren Rechnung getragen wird. Das ganze Verfahren wird als Gene Pharming bezeichnet, weil sich hier Tierzucht (Farming), Medikamentenerzeugung (Pharmazie) und Gentechnik vereinen. Dem Gene Pharming wird eine große wirtschaftliche Zukunft vorausgesagt.
 
Transgene Tiere als Organspender
 
Eine im Hinblick auf Organtransplantation interessante Entwicklung ist die Vermenschlichung von landwirtschaftlichen Nutztieren, um diese Tiere als Organspender für Menschen einzusetzen. Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Beispielen, bei denen menschliche Gene erfolgreich in Tiere eingeführt wurden, um Blut oder Organe für humanmedizinisch therapeutische Zwecke nutzbar zu machen. So ist es zum Beispiel gelungen, das menschliche Gen für den Blutfarbstoff Hämoglobin in das Genom von Schweinen einzupflanzen. Dadurch bilden die Schweine das menschliche Hämoglobin in ihrem Blut. Das Blut der Schweine ist damit zwar noch kein menschliches Blut, ist aber eindeutig menschlicher geworden. Die Wissenschaftler hoffen, dass eines Tages das Blut der gentechnisch veränderten Schweine als Blutersatz beim Menschen benutzt werden kann.
 
Auch bei der Verwendung von Tierorganen bei Organtransplantationen zeichnen sich erste Erfolge der Gentechnik ab. Das Haupthindernis, um tierische Organe in menschliche Körper erfolgreich transplantieren zu können, ist die hyperakute (sofortige) Abstoßungsreaktion, die unmittelbar nach einer Transplantation gegen ein tierisches Organ bei dem Patienten einsetzt. Tatsächlich ist es gelungen, bei Schweinen menschliche Gene einzusetzen, die die hyperakute Abstoßungsreaktion nach einer Transplantation eines solchen Schweineorgans in einem Patienten verhindern. Die gentechnische Veränderung der Schweine war so erfolgreich, dass mit der klinischen Prüfung begonnen werden sollte. Allerdings sind noch so viele medizinische und ethische Fragen ungeklärt, weshalb die Versuche gestoppt wurden. Es besteht aber kaum Zweifel, dass in Zukunft weitere Fortschritte mit gentechnisch veränderten Tieren erzielt werden und dass es sich lohnen wird, mithilfe der Gentechnik Tiere als eventuelle Organspender für schwer erkrankte Patienten heranzuziehen.
 
 Transgene Pflanzen
 
Transgene Pflanzen zu erzeugen, ist theoretisch etwas einfacher als bei Tieren, weil Pflanzen keine Keimbahn besitzen. Das bedeutet, dass sich im Prinzip jede Zelle einer Pflanze zur Keimzelle entwickeln kann. Bei vielen Pflanzen ist es möglich, aus einzelnen Zellen ganze Pflanzen zu regenerieren. Viele Pflanzen vermehren sich auch natürlich auf diese Weise (Ableger). Ein weiterer Glücksfall für die Pflanzengentechnologie ist die Existenz eines natürlichen Genübertragungssystems. Dieses Genübertragungssystem hat die Natur den Pflanzengentechnologen in Form des Bakteriums Agrobacterium tumefaciens als »Geschenk« zur Verfügung gestellt.
 
Agrobacterium tumefaciens befällt Pflanzen und regt sie zur Tumorbildung (daher: tumefaciens = tumormachend) an. Bei der Infektion einer Pflanzenzelle mit dem Bakterium wird ein kleiner DNA-Abschnitt, das Ti-Plasmid, von der Bakterienzelle in die Pflanzenzelle eingeschleust. Ein Teil dieser bakteriellen DNA findet den Weg in die Chromosomen der Pflanzenzelle und wird dort eingebaut. Das Bakterium manipuliert genetisch die Pflanzenzelle, die dadurch zum Tumorwachstum angeregt wird.
 
Dieses natürliche Gentransfersystem machen sich die Gentechnologen zunutze, indem sie ihrerseits die Bakterien gentechnisch verändern. Das zu übertragende Gen wird in das Ti-Plasmid eingebaut, und das Bakterium übernimmt dann den Gentransfer in die Pflanzenchromosomen.
 
Natürlich dürfen die Gene, die Tumorwachstum erzeugen, nicht mitübertragen werden. Dies wird dadurch erreicht, dass die Gene, die für das Tumorwachstum verantwortlich sind, aus den Bakterien gentechnisch entfernt werden. Das System ist sehr wirkungsvoll, lässt sich aber leider nur bei solchen Pflanzen einsetzen, bei denen eine Infektion mit Agrobacterium tumefaciens möglich ist, die außerdem in Zellkultur wachsen und bei denen eine Regeneration einer ganzen Pflanze aus einer Einzelzelle möglich ist. Dies ist bei einer ganzen Reihe von Pflanzenarten der Fall, es gibt aber leider viele wichtige Kulturpflanzen, bei denen dieses System nicht funktioniert.
 
Trotzdem ist es mittlerweile bei vielen Pflanzenarten möglich, sie gentechnisch zu verändern. Eine für Pflanzen häufig benutzte, etwas grobe Methode ist die Genkanone (englisch: »biolistic particle delivery«, von »biological« und »ballistic«).
 
Dabei wird tatsächlich wie mit einer Pistole die DNA in die Pflanzenzellen hineingeschossen. Die DNA wird auf feine Schrotkugeln aus Wolfram oder Gold geladen, die dann mit einer Treibladung oder Druckluft in das Zellinnere geschossen werden. Ist die fremde DNA erst einmal in den Zellkern gelangt, wird sie sehr häufig von der Zelle selbst in ihre Chromosomen eingebaut und bei jeder Zellteilung an die Tochterzellen weitergegeben.
 
Produktverbesserung
 
Das erste auf den Markt gekommene gentechnisch veränderte Pflanzenprodukt ist die Gentomate. Die Gentomate der Firma Calgene (Kalifornien) ist bereits im Jahre 1993 in den USA für den freien Anbau und uneingeschränkten Verkauf zugelassen worden. Die gentechnische Veränderung, die bei der Gentomate vorgenommen worden ist, führt zur Reifeverzögerung. Durch diese Reifeverzögerung wird die Tomate auch nachdem sie rot und damit essbar geworden ist, nicht in wenigen Tagen weich, sondern bleibt über einige Wochen frisch. Dies hat den Vorteil, dass die Tomaten, nicht wie im kommerziellen Anbau bei Tomaten üblich, grün geerntet und kurz vor dem eigentlichen Verkauf künstlich gereift werden müssen, sondern am Stock reifen und rot werden können. Dadurch sollen die Tomaten ihren typischen Geschmack und ihr charakteristisches Aroma besser entwickeln können. Aus diesem Grund erhielt die Erste dieser Tomatensorten auch den Namen FlavrSavr (englisch »Flavor saver«: »Geschmacksretter, -bewahrer«).
 
Die Reifeverzögerung (Verhinderung des Weichwerdens) wird gentechnisch dadurch erreicht, dass das Gen für das Enzym Polygalacturonidase, das das Weichwerden der Tomate verursacht, ausgeschaltet worden ist.
 
Tomaten mit eingebauter Reifeverzögerung sind inzwischen von mehreren Firmen auf den Markt gebracht worden. In den USA und Kanada werden die Tomaten offenbar gerne gegessen und sind damit ein gut vermarktbares Produkt.
 
In die Kategorie Produktverbesserung gehören auch die Beispiele der nicht mehr schwarz anlaufenden Kartoffel oder des Rapses, der eine neuartige, für die industriellen Zwecke besser verwendbare Ölzusammensetzung hat. Die gentechnischen Einzelheiten sind relativ kompliziert und sollen deshalb hier nicht erörtert werden. Als Produktverbesserungen werden auch gentechnische Veränderungen an Zierpflanzen betrachtet, die zum Beispiel zu einer neuen Blütenfarbe führen. Australischen Gentechnologen ist es gelungen, Nelken gentechnisch so zu verändern, dass sie blaue Blüten entwickeln. Die blaue Nelke hat den Namen Moon Dust (Mondstaub) und verkauft sich recht gut.
 
Eine ebenfalls gut zu vermarktende gentechnische Veränderung ist die Blühverfrühung, die Zierpflanzen dazu bringt, früher zu blühen.
 
Eine andere Entwicklungslinie von Produktverbesserungen zielt darauf ab, Schadstoffe oder Allergene aus Pflanzen zu entfernen. So versuchen japanische Gentechniker, bestimmte Eiweiße aus dem Reis zu entfernen, die bei manchen Menschen heftige Allergien auslösen. Diese wenigen Beispiele sollen zeigen, dass die Grenzen der gentechnischen Produktverbesserung eigentlich nur durch die Fantasie der Gentechnologen gegeben sind.
 
Herbizidtoleranz
 
Ein großes Problem im konventionellen Pflanzenbau ist die Bekämpfung von »Unkräutern«. Unkräuter sind Wildkräuter, die in Anpflanzungen von Kulturpflanzen wachsen und, wenn sie nicht bekämpft werden, den Ertrag erheblich verringern. Unkräuter konkurrieren mit den Kulturpflanzen um den Standort, um Wasser, um Licht und um Nährstoffe im Boden. Ein Unkrautmanagement (Zerstörung der Wildkräuter) ist daher für einen optimalen Ertrag einer Kulturpflanze notwendig. In der konventionellen Landwirtschaft wird Unkrautmanagement mit Herbiziden betrieben. Herbizide sind Stoffe, die selektiv auf nicht erwünschte Wildkräuter giftig wirken und diese zum Absterben bringen. Leider ist es häufig so, dass die Herbizide nicht allein die Unkräuter abtöten oder dass ein Herbizid nur ganz bestimmte Unkräuter bekämpft. Deshalb sind oft mehrere Behandlungen notwendig, was einerseits die Produktionskosten erhöht, andererseits die Umwelt belastet. Es gibt auch als Totalherbizide bezeichnete Herbizide, die alle Pflanzen absterben lassen. Ein Beispiel hierfür ist der aus pilzähnlichen Bakterien (Streptomyceten) stammende Stoff Glufosinat der unter dem Handelsnamen Basta zum Beispiel im Wein- und Obstbau als Herbizid gegen den Bodenbewuchs eingesetzt wird. Der Organismus, der Glufosinat natürlicherweise produziert, besitzt ein Gen, das Resistenz gegen Basta verleiht. Dies brachte die Pflanzengentechniker auf die Idee, in Kulturpflanzen das Gen für die Bastaresistenz einzubauen, womit diese Pflanzen gegen das Herbizid tolerant (unempfindlich) werden. Da aber alle Wildkräuter empfindlich gegenüber Basta sind, reicht eine einzige Behandlung eines Feldes mit dem Herbizid aus, um alle Pflanzen außer der gentechnisch veränderten, Basta-unempfindlichen Kulturpflanze zum Absterben zu bringen. Das ist aus der Sicht mancher Landwirte die perfekte Unkrautbekämpfung. Die Verwirklichung solcher Systeme total herbizidresistenter Kulturpflanzen ist mehrfach und unabhängig voneinander gelungen.
 
Wichtige Getreidearten wie Weizen oder Mais sind bereits als Basta- (Glufosinat-)oder Round-Up-(Glyphosat-)resistente Sorten auf dem Markt, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann alle mehr oder weniger wichtigen Kulturpflanzen mit einer Resistenz gegen ein entsprechendes Herbizid gentechnisch ausgestattet sein werden.
 
Obwohl die geschilderten Systeme eine optimale Unkrautbekämpfung zu erlauben scheinen, werden gerade diese Entwicklungen von Gentechnikgegnern besonders heftig kritisiert. Es gibt mehrere Kritikpunkte, die gegen herbizidtolerante Pflanzen ins Feld geführt werden: Die ökologischen Folgen eines großflächigen Einsatzes eines Totalherbizids sind bisher zu wenig untersucht. Weiterhin sind die Hersteller des Herbizids auch gleichzeitig die Eigentümer (Entwickler) der resistenten Pflanzensorten und dadurch entsteht eine Monopolstellung. Wer die resistenten Pflanzen kauft und anbaut, muss auch für alle Zeiten das zugehörige Pestizid kaufen, wie teuer es auch sein mag (es gibt keinen freien Markt mehr). Dies könnte sich letztlich zum Schaden der Landwirte und der Verbraucher auswirken. Die herbizidresistenten Pflanzen können gesundheitlich bedenklich sein, da sie ein neues, die Resistenz bewirkendes Protein enthalten, welches Allergien erzeugen könnte. Und letztlich können die Resistenzgene durch Auskreuzung in Wildpflanzen gelangen und hierdurch neue herbizidresistente Unkräuter entstehen. Diese Befürchtungen müssen sorgfältig geprüft und die potenziellen Probleme wissenschaftlich untersucht werden.
 
Virusresistente Pflanzen
 
Große Ernteausfälle entstehen durch Pflanzenkrankheiten. Besondere Bedeutung haben dabei Viruserkrankungen, die häufig nur sehr schwer zu bekämpfen sind. Es ist den Gentechnologen gelungen, mit verschiedenen genetischen Kunstgriffen Pflanzen zu erzeugen, die gegen bestimmte Virusinfektionen immun sind. Ein sehr häufig angewendetes Verfahren ist die Einpflanzung eines Gens, das von dem Virus stammt und die Codierungsinformation für die Virushülle trägt. Wenn die Pflanze dieses Virusprotein in ihren Zellen produziert, wird sie häufig immun gegen das Virus.
 
Ein anderes Verfahren, Pflanzen gegen Krankheiten spezifisch immun zu machen, ist die gentechnische Übertragung tierischer Antikörpergene.
 
Dabei wird das sehr effiziente Immunsystem der Säugetiere ausgenutzt und dessen Wirkung auf Pflanzen übertragen. Das Prinzip ist relativ einfach: Ein pflanzlicher Krankheitserreger (beispielsweise ein Virus oder ein Bakterium) wird benutzt, um eine Maus damit zu infizieren. Die Maus wird davon im Allgemeinen nicht krank, aber sie reagiert trotzdem auf den Eindringling, indem das Immunsystem angeschaltet wird und die Immunzellen Antikörper gegen den fremden Stoff bilden. Diese Antikörper sind meistens geeignet, den Krankheitserreger unschädlich zu machen oder zumindest seine Vermehrung und seine weitere Verbreitung zu stoppen. Ein solch wirksames Abwehrsystem besitzen Pflanzen von Natur aus nicht, aber mithilfe der Gentechnik können aus der immunisierten Maus die Gene isoliert werden, die die genetische Information für die Antikörper gegen das Pflanzenvirus enthalten. Sind die Gene isoliert, kann man sie in das Pflanzengenom integrieren. Die gentechnisch veränderte Pflanze kann dann die Antikörper gegen die oder den Krankheitserreger produzieren und so eine gewisse Immunität gegen den Krankheitskeim entwickeln.
 
Die Übertragung tierischer Antikörpergene in Pflanzen ist relativ kompliziert und wird deshalb bisher wenig angewendet. Sie hat aber noch einen zweiten wichtigen Aspekt: Mit der gleichen Methode lassen sich Pflanzen dazu bringen, Antikörper gegen menschliche oder tierische Krankheitserreger zu produzieren. Solche Antikörper können unter Umständen wiederum als Medikamente eingesetzt werden. Die in Pflanzen produzierten Antikörper werden häufig auch als Plantibodies (von englisch »plants«: Pflanzen und »antibodies«: Antikörper) bezeichnet.
 
Schädlingsresistente Pflanzen
 
Ein ähnlich großes Problem wie Pflanzenkrankheiten oder Unkraut sind Ernteverluste durch Pflanzenschädlinge. Jährlich verursachen Heuschreckenplagen Hungersnöte und die Reblaus hat in den französischen Weinbergen in wenigen Jahren gewaltigen wirtschaftlichen Schaden angerichtet. Schädlingsbekämpfung wird häufig massiv und mit manchmal auch für den Menschen giftigen Stoffen betrieben. Oft wird der Schädlingsbefall auch zu spät entdeckt, um ihn noch wirksam bekämpfen zu können. Vorbeugende Bekämpfung verteuert allerdings die Produktionskosten und belastet die Umwelt. In Entwicklungsländern, in denen oft ohnehin die Nahrungsressourcen nicht ausreichen, fehlt oft schlicht das Geld und die Infrastruktur, um überhaupt eine Schädlingsbekämpfung durchführen zu können.
 
Es ist deshalb im Sinne einer Verbesserung sowohl der Welternährungssituation als auch einer umweltverträglicheren Landwirtschaft dringend erforderlich, schädlingsresistente Pflanzen zu züchten. Hier setzt die Gentechnik verstärkt ein.
 
Für den gesamten Komplex der schädlingsresistenten Pflanzen sei beispielhaft die Entwicklung von Pflanzen dargestellt, die gegen Insekten als Schädlinge resistent sind. Eine Entwicklungslinie insektenresistenter Pflanzen beruht auf einem bakteriellen Toxin (Gift), das die gentechnisch modifizierten Pflanzen produzieren. Das Gen für dieses Toxin stammt aus dem Bakterium Bacillus thuringiensis (Abkürzung: B.-t.-Toxingen). Das entsprechende Toxin wirkt sehr spezifisch auf bestimmte Insekten.
 
Es gilt als umweltverträglich und wird schon seit einigen Jahren bei der Bekämpfung der Schnakenplage entlang des Rheins eingesetzt. Das Toxin (in Wirklichkeit sind es mehrere Proteine) wirkt erfreulicherweise gegen sehr viele Schädlingsinsekten, wie beispielsweise den Maiszünsler oder den Kartoffelkäfer, schon in relativ geringen Dosen tödlich. Für Menschen ist das Toxin, nach allem was man bis heute weiß, unschädlich. Was lag also näher, als die Gene für diese(s) Toxin(e) in die Kulturpflanzen zu überführen und damit die Pflanzen sich selbst mit dem bakteriellen Toxin schützen zu lassen? Dies ist tatsächlich für viele wichtige Kulturpflanzen wie den Mais, die Kartoffel oder die Baumwolle inzwischen gelungen. Vor allem die Erzeugung einer insektenresistenten Maissorte, die vor dem schwer zu bekämpfenden Maiszünsler geschützt ist, gilt als ein großer Erfolg. Aber auch die gegen Kartoffelkäfer resistente Kartoffel ist ohne Zweifel ein Durchbruch in der gentechnischen Resistenzzüchtung.
 
 Freisetzung transgener Organismen
 
Ziel der Gentechnik in der Landwirtschaft ist es, Tiere und Pflanzen gentechnisch zu verändern, die im großen Maßstab gezüchtet beziehungsweise angebaut werden. Dabei ist es unausweichlich, dass die gentechnisch modifizierten Pflanzen und Tiere aus dem gentechnischen Labor heraus in die Umwelt entlassen werden. Die gentechnisch veränderten Organismen werden freigesetzt und in Verkehr gebracht. Die Freisetzung lebender gentechnisch veränderter Organismen war und ist nach wie vor ein problematischer Vorgang, weil sich diese in der Umwelt vermehren und ausbreiten und damit den Vorgang unumkehrbar machen. Einmal in die Umwelt entlassen, sind diese Organismen nicht mehr rückholbar. Die Auswirkungen auf ein sensibles ökologisches Gleichgewicht sind in der Tat wenig erforscht und langfristige Einflüsse so gut wie nicht voraussagbar. Auf der anderen Seite macht Gentechnik in der Landwirtschaft nur Sinn, wenn die Pflanzen von den Landwirten auch frei auf dem Feld angebaut und die Früchte möglichst ohne Einschränkungen vermarktet werden können.
 
Seit etwa 1985 werden transgene Pflanzen zu Testzwecken und seit 1993 zum kommerziellen Anbau auf Feldern angebaut (freigesetzt).
 
Die Anzahl und der flächenmäßige Umfang der Freisetzungen sind in den einzelnen Ländern sehr verschieden. Führend auf dem Gebiet der Freisetzung und der Zulassung transgener Pflanzen sind die USA. Von 1987 bis 1998 gab es in den USA mehr als 3500 Freisetzungen, wobei jede genehmigte Freisetzung mehrere Standorte umfassen kann. Die tatsächliche Zahl der Felder, auf denen transgene Pflanzen ausgesät wurden, ist deshalb mit über 14 000 noch wesentlich höher als die Zahl der genehmigten Freisetzungen. In Europa ist die Zahl der Freisetzungen mit 1086 sehr viel geringer als in den USA und Kanada (Stand: Dezember 1998). Innerhalb Europas gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern. Führend auf diesem Sektor ist Frankreich, wo fast ein Drittel aller Freisetzungen stattfindet.
 
Die Bundesrepublik Deutschland ist relativ zu ihrer Fläche und Einwohnerzahl eines der am wenigsten aktiven Länder, was mit der zum Teil sehr kritischen Haltung der Bevölkerung gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln zusammenhängt.
 
In Asien ist seit Jahren die Volksrepublik China das Land mit den häufigsten Freisetzungen und größten Anbauflächen für transgene Pflanzen. In China wurden auch nach den USA die ersten transgenen Pflanzen zum unkontrollierten Anbau und zur Vermarktung freigegeben.
 
Für manche beeindruckend und für andere erschreckend ist die Liste der Pflanzenarten, die inzwischen gentechnisch verändert wurden. Inzwischen sind über 50 verschiedene Pflanzenarten durch gentechnische Verfahren verändert und zu Testzwecken freigesetzt worden. Darunter befinden sich exotische Pflanzen wie die Papaya- oder Eukalyptusbäume, aber auch alle wichtigen Grundnahrungsmittelpflanzen. Die USA und Europa unterscheiden sich nicht nur durch die Menge an freigesetzten Pflanzen, sondern auch darin, welche Pflanzenarten am häufigsten freigesetzt wurden.
 
Während in den USA der Mais die nach Zahl der Freisetzungen wichtigste Pflanze ist, stehen in Europa der Raps und die Zuckerrübe an der Spitze.
 
Bei der Frage, welche neuen Eigenschaften in die Pflanzen überführt wurden, fällt sofort auf, dass sich die überwiegende Anzahl der gentechnischen Veränderungen in ganz wenige Kategorien einteilen lassen.
 
Am häufigsten wurden herbizidresistente Pflanzen im Freiland getestet, gefolgt von Pflanzen, die schädlings- oder virusresistent sind. Eine zunehmende Zahl von Pflanzensorten hat gleichzeitig mehrere gentechnische Veränderungen, wie Herbizidtoleranz und Schädlingsresistenz oder Herbizidtoleranz und Virusresistenz. Natürlich sind solche doppelt oder mehrfach transgenen Pflanzen für den Landwirt auch entsprechend attraktiv, da sich die positiven Eigenschaften und damit der Produktivitätsgewinn addieren.
 
Im Jahr 1993 wurde unter großer öffentlicher Anteilnahme das erste gentechnisch veränderte Pflanzenprodukt, die FlavrSavr-Tomate der Firma Calgene (USA) zum Anbau und zur Vermarktung freigegeben. Die Tomate war von Anfang an bei der amerikanischen Kundschaft sehr beliebt. Seitdem sind in den USA 42 transgene Pflanzensorten zugelassen worden und weitere 5 befinden sich im Zulassungsverfahren (Stand Dezember 1998). In Europa sind die Regulierungsbedingungen anders als in den USA, sodass hier bisher deutlich weniger transgene Pflanzenprodukte auf dem Markt sind. Bis Dezember 1998 waren in Europa 17 transgene Pflanzensorten zum freien Anbau oder zur Einfuhr zugelassen und 14 im Genehmigungsprozess. Unter den zugelassenen transgenen Pflanzen sind so wichtige Nutzpflanzen wie Mais und Sojabohne, aus denen etwa Mehl oder Öl hergestellt werden, die wiederum als Bestandteile in sehr vielen anderen Lebensmitteln enthalten sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass inzwischen ein großer Anteil von Lebensmitteln, in denen Mais- oder Sojamehl enthalten ist, gentechnisch veränderte Produkte enthalten.
 
Dies wirft die Frage der Kennzeichnungspflicht und der Verbraucherakzeptanz auf. In der gesamten Europäischen Union gilt für gentechnisch hergestellte Produkte eine eingeschränkte Kennzeichnungspflicht. »Novel-Food-Produkte« sind dann zu kennzeichnen, wenn sie sich von konventionell hergestellten Produkten unterscheiden und wenn die gentechnische Veränderung nachweisbar ist. Dies ist zum Beispiel bei Zucker aus gentechnisch veränderten Zuckerrüben nicht der Fall. Die gentechnische Veränderung in der reifeverzögerten Tomate lässt sich dagegen sehr wohl nachweisen. Unabhängig von der Kennzeichnung kann der Verbraucher aber davon ausgehen, dass gentechnisch hergestellte und für den Verkauf zugelassene Produkte keine gesundheitliche Gefährdung darstellen. Die Erfahrungen mit Novel-Food-Produkten in den USA, wo sich gentechnisch hergestellte Lebensmittelprodukte bereits seit 1993 auf dem Markt befinden, sind überwiegend positiv. 1998 waren schon circa 20 Prozent der Anbaufläche für Mais und Soja mit transgenen Sorten bepflanzt.
 
 Genetisch modifizierte Mikroorganismen
 
Der Einsatz von Mikroorganismen ist sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Lebensmitteltechnik von großer Bedeutung. Zum Beispiel werden bei der Sojapflanze Stickstoff bindende Bakterien zusammen mit den Samen ausgesät. Diese Knöllchenbakterien leben als Symbionten an den Wurzeln der Sojapflanze und versorgen sie mit reichlich Stickstoff. Dadurch können erhebliche Mengen Stickstoffdünger gespart werden. Leider sind die Knöllchenbakterien sehr stark auf eine oder wenige Pflanzenarten spezialisiert und können deshalb beispielsweise nur bei Soja, nicht aber bei Getreide eingesetzt werden. Wenn es gelänge, die Bakterien gentechnisch so umzuprogrammieren, dass sie auch mit bisher nicht akzeptierten Kulturpflanzen Symbiosen eingingen, wären höhere Ernteerträge bei gleichzeitig geringerem und damit umweltschonenderem Düngereinsatz zu erreichen. Bisher ist dies aber noch Zukunftsmusik.
 
In der Lebensmitteltechnik werden Milchsäurebakterien zur Herstellung von Joghurt und Sauerkraut benötigt, Labferment produzierende Bakterien werden bei der Käseherstellung eingesetzt, und selbstverständlich spielt die Bäcker- oder Bierhefe in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie eine entscheidende Rolle. Sowohl die Milchsäurebakterien als auch die Bäckerhefe sind schon vielfach gentechnisch verändert worden, und es ist nur eine Frage der Zeit, wann Bier mit gentechnisch veränderter Hefe gebraut oder Joghurt mit gentechnisch modifizierten Milchsäurebakterien hergestellt wird. Bisher sind solche Produkte in Europa allerdings noch nicht auf dem Markt.
 
 Gentechnik und Sicherheit
 
Einer der wichtigsten Kritikpunkte in der Diskussion um die Gentechnik ist die Frage nach der Sicherheit gentechnischer Verfahren und Produkte. Die Gentechnologen haben selbst die Sicherheitsfrage schon im Jahre 1975 in der berühmt gewordenen Asilomar-Konferenz in den Vordergrund gestellt und damit eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst. Auf dieser Konferenz in Asilomar (Kalifornien) schlugen die Wissenschaftler zunächst ein Moratorium und später einen Verhaltenskodex für Gentechnologen vor. Darin waren Sicherheitsrichtlinien (Safety Guidelines) für gentechnische Experimente enthalten, die vier Sicherheitsstufen mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für unterschiedlich gefährlich eingeschätzte Experimente vorsahen. Diese Richtlinien sind wenig später von den meisten Ländern der Welt übernommen und zum Teil sogar Grundlage für Gentechnikgesetze wie in der Bundesrepublik Deutschland geworden. Die ursprünglich 1975 diskutierten Befürchtungen, die natürlich auch aufgrund der sehr geringen Erfahrungen — die Gentechnologie war weniger als zwei Jahre alt — nicht sehr gut begründet sein konnten, haben sich zum Glück nicht bewahrheitet. Mit der zunehmenden Erfahrung im Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen zeigte sich, dass viele der Sicherheitsbedenken unbegründet waren. Daraufhin wurden in den letzten 20 Jahren vor allem in den USA die Sicherheitsbestimmungen mehr und mehr zurückgenommen, sodass heute die allermeisten gentechnischen Arbeiten dort ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen durchgeführt werden. Sogar die meisten Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen brauchen keine spezielle Erlaubnis mehr, sondern es reicht die »Notification«, eine Mitteilung an die zuständige Behörde, die gegebenenfalls gegen die Freisetzung einschreiten kann.
 
In der Bundesrepublik Deutschland haben wir seit 1991 ein Gentechnikgesetz, das für alle gentechnischen Arbeiten die Genehmigungsverfahren, die Sicherheitsstufen und die behördliche Überwachung regelt. Neben dem nationalen Gentechnikrecht gibt es für die Länder der Europäischen Union einheitliche Regelungen, die auch die Zulassung gentechnisch veränderter Pflanzen und Produkte europaweit regeln.
 
Jedes gentechnische Labor muss in der Bundesrepublik Deutschland amtlich registriert und jedes gentechnische Experiment angemeldet werden. Ab der Sicherheitsstufe 2 müssen gentechnische Arbeiten genehmigt werden, wobei das Sicherheitsrisiko oder Gefährdungspotenzial durch die Zentrale Kommission für die biologische Sicherheit (ZKBS) am Robert-Koch-Institut in Berlin überprüft wird. Nach der Stellungnahme der ZKBS wird dann ein Antrag auf ein gentechnisches Experiment durch die zuständigen Länderbehörden genehmigt, eventuell mit bestimmten Sicherheitsauflagen belegt oder auch abgelehnt. Über die gentechnischen Arbeiten sind Aufzeichnungen zu führen, die regelmäßig von den Überwachungsbehörden überprüft werden. Darüber hinaus kontrollieren die Behörden auch die Sicherheitseinrichtungen in den Genlabors und untersuchen Proben der gentechnisch veränderten Organismen. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass die Sicherheitsbestimmungen bei gentechnischen Arbeiten weitestgehend eingehalten werden.
 
Es ist erfreulich, dass seit Einführung der Gentechnik im Jahre 1973/74 kein einziger größerer »Genunfall« passiert beziehungsweise bekannt geworden ist. Dies spricht dafür, dass die Gentechnik eine relativ sichere Angelegenheit ist. Trotzdem sollten die möglichen Sicherheitsrisiken keinesfalls ignoriert werden.
 
Sicherheitseinschätzungen
 
Für die Durchführung einer gentechnischen Arbeit ist es notwendig, vor dem Experiment eine Risikoeinschätzung vorzunehmen. Diese Risikoabschätzung macht der Projektleiter (der Experimentator). Anschließend überprüft die Zentrale Kommission für die biologische Sicherheit, ob die Einschätzung des Risikos durch den Projektleiter dem Stand der Wissenschaft entspricht. Für die Sicherheitseinstufung existieren inzwischen lange Listen von Spender- und Empfängerorganismen, die in Risikoklassen von 1 (ohne Risiko) bis 4 (höchstes, tödliches Risiko) eingeteilt sind und anhand derer der Projektleiter das Gefährdungspotenzial abschätzen kann.
 
Es hat sich in der Praxis gezeigt, dass mit diesem Verfahren eine ausreichende Risikoabschätzung vorgenommen werden kann. Große Überraschungen wie die unvorhergesehene Entstehung von gefährlichen Organismen oder aggressiven Krankheitserregern hat es in den 25 Jahren praktizierter Gentechnologie nicht gegeben.
 
Sicherheitsbedenken bei der Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen
 
Die Fortschritte in der Pflanzengentechnologie haben dazu geführt, dass viele gentechnisch veränderte Pflanzen inzwischen aus dem gentechnischen Labor heraus in die Umwelt entlassen — »freigesetzt« — worden sind.
 
Welche Sicherheitsprobleme oder -risiken werden im Zusammenhang mit der Entlassung gentechnisch veränderter Organismen — überwiegend Pflanzen — in die Umwelt diskutiert? Im Wesentlichen sind es fünf Problemkreise: Gentransfer, Entstehung neuer Unkräuter, Entstehung neuer (Pflanzen-)Krankheiten, Effekte auf Nicht-Zielorganismen und Entstehung neuer, resistenter Schädlinge.
 
Gentransfer bedeutet, dass die gentechnisch in die Pflanzen überführten Gene — die Transgene — nicht in diesen Pflanzen bleiben, sondern auf andere Pflanzen oder andere Organismen »überspringen« oder übertragen werden. Dies kann auf zweierlei Weise geschehen: entweder durch Kreuzung mit verwandten (Wild-)Arten oder durch horizontalen Gentransfer.
 
Eine Auskreuzung der Transgene kann nur zwischen Pflanzen geschehen, die entweder der gleichen Art angehören oder die sehr nahe verwandt sind. Für manche Kulturpflanzen gibt es in der Natur nahe verwandte Wildarten, mit denen eine Kreuzung möglich ist. Ein Beispiel dafür ist in Europa der wild wachsende Rübsen, der dem Raps nahe verwandt ist. Tatsächlich konnte in einem darauf angelegten Experiment von dänischen Wissenschaftlern gezeigt werden, dass das Gen für die Basta-Herbizidresistenz vom transgenen Raps nach nur zwei Generationen in den Rübsen hinüberwandert. Doch nicht nur die Auskreuzung in Wildpflanzen ist möglich: Selbstverständlich können Pollen von transgenen Pflanzen auch nicht-transgene Pflanzen der gleichen Art auf einem benachbarten Feld bestäuben, und damit werden teilweise die Früchte dieser Pflanze ebenfalls gentechnisch verändert. Dies wäre etwa für Ökobauern, die garantiert gentechnikfreie Produkte anbieten wollen, ein ernst zu nehmendes Problem.
 
Inwieweit der Transfer eines Transgens auf Wildpflanzen eine Gefahr bedeutet, ist nicht genügend untersucht. Ein Problem könnte ein erfolgter Gentransfer dann sein, wenn ein Unkraut durch das neue Gen einen deutlichen Vorteil erhielte. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn das Wildkraut eine zusätzliche Schädlings- oder Krankheitsresistenz erhielte und es sich deshalb schneller ausbreiten würde. Es könnte wirtschaftlichen Schaden in der Landwirtschaft anrichten, aber auch das ökologische Gleichgewicht stören.
 
Beim horizontalen Gentransfer stehen andere Befürchtungen im Vordergrund. Bei den zurzeit in die Umwelt freigesetzten Pflanzen sind häufig noch Antibiotikaresistenzgene in den Pflanzenchromosomen vorhanden, die aus technischen Gründen zusammen mit dem eigentlichen Transgen in die Pflanze überführt wurden. Gentechnikkritiker befürchten, dass diese Antibiotikaresistenzgene, die mit den abgestorbenen Pflanzen in den Ackerboden gelangen, von Bakterien aufgenommen werden und so die Anzahl antibiotikaresistenter Keime erhöhen. Wissenschaftliche Untersuchungsergebnisse weisen allerdings darauf hin, dass horizontaler Gentransfer ein ziemlich seltener Prozess ist.
 
Die Entstehung neuer Krankheiten ist vor allem im Zusammenhang mit virusresistenten Pflanzen ein mögliches Problem. Die Virusresistenz wird häufig dadurch erzeugt, dass in Pflanzen Virusgene eingebaut werden. Nun besteht die Befürchtung, dass andere Viren die Pflanzen befallen und diese Gene oder Teile davon aufnehmen und so neue Viren bilden. Bisher gibt es dafür allerdings noch keine wissenschaftlichen Belege.
 
Gentechnisch veränderte Pflanzen haben selbstverständlich Effekte auf Nicht-Ziel-Organismen. Schädlingsresistente Pflanzen wirken auch auf Nützlinge oder seltene, geschützte Arten giftig. Darüber hinaus muss auch mit mittelbaren Effekten gerechnet werden, etwa Veränderungen im Nahrungsnetz, wenn der Zielschädling als Nahrungsquelle für andere Tiere, die vielleicht sogar wichtige Nützlinge sind, wegfällt. Diese Effekte sind bisher wenig untersucht, weil sie teilweise recht komplex sind. Die Zukunft muss zeigen, welchen Einfluss ein großflächiger Anbau gentechnisch veränderter Pflanzensorten haben wird.
 
Das Problem, dass durch den Anbau schädlingsresistenter Pflanzen resistente Schädlinge entstehen, wird als besonders ernst angesehen. Aus der klassischen Resistenzzüchtung ist bekannt, dass regelmäßig auf den Erfolg, eine schädlingsresistente Pflanzensorte gezüchtet zu haben, in wenigen Jahren der wiederum resistente Schädling folgt. Dies wird vermutlich auch bei gentechnisch erzeugten, schädlingsresistenten Pflanzen nicht anders sein. Zurzeit wird in den Ländern, in denen solche Pflanzen schon angebaut werden dürfen, sorgfältig darauf geachtet, dass nicht die gesamte Anbaufläche mit resistenten Pflanzen bebaut wird. In Refugien, die mit nicht resistenten Sorten bepflanzt werden, können die Schädlinge überleben. Dies reduziert den Selektionsdruck auf die Schädlinge, eine Resistenz gegen das Bt-Toxin zu entwickeln.
 
Neue Allergien
 
Vielfach wird darüber diskutiert, ob gentechnisch veränderte Produkte möglicherweise neue Allergien hervorrufen. In der Tat gibt es ein Beispiel, das zeigt, dass Allergene gentechnisch von einem Organismus auf einen anderen übertragen werden und dabei ihr allergenes (Allergien hervorrufendes) Potenzial behalten: Aus der brasilianischen Paranuss wurde ein Gen für ein allergenes Protein in Sojapflanzen übertragen, woraufhin auch die Sojabohnen die Paranuss-Allergie hervorriefen. Aus diesem Grund wird es in Zukunft sehr wichtig sein, entweder auf die Übertragung von Allergenen zu verzichten oder bei der Zulassung die gentechnischen Produkte auf ihre potenzielle allergene Wirkung zu prüfen. Neue Allergien entstehen aber nicht allein dadurch, dass gentechnisch hergestellte Produkte ein oder mehrere neue Proteine enthalten.
 
Prof. Dr. Erwin Schmidt, Mainz
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Gentechnik: Anwendung in Pharmazie und Medizin
 
Gentechnik: Anwendung in Wissenschaft und Forschung
 
 
Biotechnologie - Gentechnik. Eine Chance für neue Industrien, herausgegeben von Thomas von Schell und Hans Mohr. Berlin u. a. 1995.
 Brem, Gottfried u. a.: Experimentelle Genetik in der Tierzucht. Grundlagen für spezielle Verfahren der Biotechnik. Stuttgart 1991.
 Brown, Terence A.: Genomes. Oxford 1999.
 Brown, Terence A.: Gentechnologie für Einsteiger. Aus dem Englischen. Heidelberg 21996. Nachdruck Heidelberg 1999.
 Ibelgaufts, Horst: Gentechnologie von A bis Z. Studienausgabe Weinheim u. a. 1990. Nachdruck Weinheim u. a. 1993.
 Jany, Klaus-Dieter / Greiner, Ralf: Gentechnik und Lebensmittel. Karlsruhe 1998.
 Krawczak, Michael / Schmidtke, Jörg: DNA-Fingerprinting. Aus dem Englischen. Heidelberg u. a. 1994.
 
Ökologie transgener Nutzpflanzen, herausgegeben von Stephan Albrecht und Volker Beusmann. Frankfurt am Main u. a. 1995.
 Schenkel, Johannes: Transgene Tiere. Heidelberg u. a. 1995.
 Steinbiß, Hans-Henning: Transgene Pflanzen. Heidelberg u. a. 1995.

Universal-Lexikon. 2012.

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